Weingüter und Weinorte fürs Auge

So schön wohnt der Wein!

Allein ihre Architektur macht immer mehr Weingüter zu Sehenswürdigkeiten. Biedere Probierstube war gestern - stattdessen setzen moderne Winzer auf Wohlfühl-Ambiente in frischer Architektur. Immer mehr Winzer engagieren talentierte Baumeister, um ihre magischen Rieslinge in passender Umgebung auszuschenken. Denn Verkosten ist unbedingt erwünscht. Und mit der gelungenen Verbindung aus Wein- und Baukultur wird aus dem Gaumenkitzel ein Erlebnis für alle Sinne.

Romantisch, malerisch und geschichtsträchtig: die Weinorte an der Mosel bergen zahlreiche Schätze, vor allem in Sachen Wein und Architektur, die du unbedingt erleben musst!

Via mosel` führt dich zu den schönsten Weingütern und Weinorten des grenzenlosen Moseltals in Deutschland, Luxemburg und Frankreich.

Portes Ouvertes Via mosel'

Weinarchitekturwochenende vom 05. bis 06. April 2025!

Entlang der deutsch-luxemburgisch-französischen Mosel öffnen immer am 1. Wochenende im April die Via mosel‘ Weingüter und Weinorte ihre Türen und Tore und bieten ein vielfältiges Programm für alle Wein- & Architektur-Genießer!

Was hältst du von einer kulinarischen Jugendstiltour durch Traben Trarbach, einem Wein- & Genusserlebnis in einem Bioweingut oder einer Weinverkostung in einer modern gestalteten, historischen Remise in Konz-Filzen?

Genieße große Weine in einzigartiger Atmosphäre und erfahre spannende Hintergründe zur Entstehungsgeschichte der Weingüter und Weinorte.

Sebastian Lauff, Architekt und Herausgeber des Online-Architekturmagazins archimag.dehat fünf architektonisch besondere Weingüter an Mosel und Saar besucht und nimmt dich mit auf seiner Reise zu Wein, Land und Architektur.              

                                                                          

Auf Entdeckungstour mit Architekt Sebastian Lauff

Portrait Sebastian Lauff, online Architekturmagazin archimag.de

VON SEBASTIAN LAUFF: Meine Reise führte mich von Luxemburg bis Koblenz über die malerischen Straßen im Moseltal und zu den umliegenden Ortschaften. Bei schönstem Wetter habe ich viele Orte und Weingüter angefahren und für euch fünf interessante Adressen herausgesucht:

Das Gästehaus des Weingutes Cantzheim

Vor der beeindruckenden Kulisse des Weinbergs in Kanzem steht das spätbarocke Gutshaus „Cantzheim“ an der Saar.
 

Weingut Cantzheim, Altbau

Das Gebäude wurde durch den Schweizer Architekten Max Dudler im Rahmen des bestehenden Denkmalschutzes renoviert und ergänzt. Neben dem Umbau des Gutshauses ist eine Orangerie und ein Gästehaus entstanden. Hierbei halten die zwei Neubauten respektvollen Abstand zum Gutshaus und bieten so Platz für die unaufdringliche Landschaftsarchitektur von Bernhard Korte. Das Haus von 1740, welches als Weingut des Klosters Wadgassen errichtet wurde und sich lange im Besitz des bischöflichen Priesterseminars Trier befand, wurde 2007 von den jetzigen Besitzern erworben.

Auf die Frage, warum das Gutshaus erworben und ein Bau unter den strengen Voraussetzungen des Denkmalschutzes geplant wurde, erfuhr ich vom Schwiegersohn und heutigen Betreiber des Weingutes.

Mein Schwiegervater wollte immer schon bauen.

Aus persönlichen Kontakten zu dem Architekten Oswald Mathias Unger ergaben sich erste Gespräche. Herr Unger musste aufgrund seines Alters die Planung jedoch ablehnen. Er verwies den Bauherrn jedoch an seinen ehemaligen Schüler Max Dudler. Dudler entwarf ein Konzept, welches die barocke Bausubstanz des Gutshauses respektierte und fremde Anbauten entfernte. Im Inneren des Hauses wurde die ursprüngliche Struktur nicht angetastet, sondern nur zeitgemäß modernisiert.

Weingut Cantzheim - Orangerie

Weingut Cantzheim - Remise mit Altbau

Die Unterbringung der Technik wurde komplett in der neu errichteten Remise ermöglicht. In Form und Materialität orientieren sich die Gebäude an der Landschaft. Die Wände und das Dach der zweigeschossigen Remise sind aus handwerklich gefertigtem Stampfbeton ausgeformt. In dieser spiegeln sich die erdfarbenen Töne der umgebenden Hügel wider. Die Orangerie besteht aus Stahl und Glas und ist das Gegenstück zur monolithischen Remise. Seine filigrane Struktur nimmt die Vertikalität, der die Landschaft dominierenden Rebstöcke auf.

Genutzt wird das Anwesen des Weingut Cantzheimals Gästehaus, Weingutsvinothek, Veranstaltungsort und Privatwohnung. Drei Gästezimmer sowie eine separat zugängliche Privatwohnung befinden sich im Obergeschoss des Gutshauses. Zwei zusätzliche Gästezimmer befinden sich im Obergeschoss der Remise.

Vinothek Weingut F. J. Regnery

Diese Vinothek ist nach der Übergabe des Weingutes F. J. Regneryan die nächste Generation entstanden. Auf dem vorhandenen Grundstück gab es die „alte“ Vinothek, welche aber noch den Charme der 70er-Jahre hatte. Nicht unattraktiv, aber die Ansprüche der Kunden ändern sich und somit sollte etwas Neues und Frisches entstehen. Dabei war das Grundstück mit dem verbleibenden Platz nicht einfach zu beplanen.

 

Vinothek Regnery

Bloß nichts Eckiges!

Das war die Vorgabe von Andrea und Peter Regnery an den Architekten Marco Hoffmann aus Wittlich. Entstanden ist so die neue, interessante Vinothek, die 2016 vom Deutschen Weininstitut unter die TOP 50 Vinotheken Deutschlands gewählt wurde. Die Architektur sollte ein Ambiente zum Wohlfühlen schaffen, in dem die herzlichen Gastgeber erstklassige Weine präsentieren können. Der Architekt plante auf dem alten Gewölbekeller ein fass- genauer gesagt tropfenförmiges Gebäude, welches durch einen 6,30 m hohen Vorhang aus rau belassenen, geölten Eichenbalken verkleidet wird.

 

Vinothek Regnery - Fassadenverkleidung 

Vinothek Regnery - Blick von der Terrasse

Im Inneren empfängt einen der Verkaufsraum mit Theke, Holzbänken und hinter Glas beleuchteten Fotos. Die Wände sind mit einem Lehm-Schilf-Putz gestaltet und geben den Räumen somit eine individuell strukturierte Optik, verbessern das Raumklima und sorgen für eine angenehme Akustik. Im Obergeschoss gibt es Sitzgelegenheiten für gemütliche Weinproben und -präsentationen. Oberer Raum und Terrasse lassen sich durch Faltelemente zu einem offenen Raum verschmelzen. Hier genießt man dann den Blick auf die hauseigenen Riesling- und Spätburgunder-Weinberge in der Steillage Klüsserather Bruderschaft.

Winzerhäuschen des WeinKulturguts Longen-Schlöder

Um Wein und Landschaft richtig genießen zu können, genügen ein paar Stunden in einer Vinothek einfach nicht. Vielmehr ist es Teil der Erfahrung zu genießen und zu entschleunigen. Das WeinKulturgut Longen-Schlöderwollte seine Kapazitäten also erweitern und Gästehäuser schaffen. Aber wie findet man den richtigen Architekten hierfür? Für Familie Longen fing der Findungsprozess prinzipiell schon vor dem Wunsch zu bauen an.

 

Die Winzerhäuschen des WeinKulturguts Longen-Schlöder

Uns ist immer wieder die gleiche Art von Architektur aufgefallen. Und mit dieser Architektur war in den meisten Fällen Matteo Thun aus Südtirol verbunden. Als wir uns dann entschieden haben das Bauprojekt anzugehen, haben wir Herrn Thun einfach eine E-Mail geschrieben. Was uns sehr freute war, dass wir schon wenige Stunden später eine Antwort hatten.

, so Familie Longen zu mir.

Schnell fand man dann eine Möglichkeit, sich in Mailand das erste Mal zu treffen und die Rahmenbedingungen für das Projekt abzustimmen. Architekt Matteo Thun hat sich auch aus der Ferne um alle Details gekümmert – vom Entwurf bis zur Verarbeitung von lokalen Materialien.
Das Bauamt wurde von Anfang an mit einbezogen und so entstand 2011 die Erweiterung der Vinothek und von 2011 bis 2012 die Gästehäuser des Weingutes.

Viel zu schade, den Ausblick zum eigenen Garten zu verschließen.

Innenraum eines Winzerhäuschens

Das Ergebnis sind Ferienhäuser aus Schiefer mit jeweils ca. 20 qm Wohnfläche. Die Ferienwohnungen sind hell, klar und reduziert gestaltet. Weil die 20 Häuser auf einem ca. 6.500 Quadratmeter großen Grundstück inmitten von Obstbäumen stehen, konnte jedes Haus einen thematisch anders gestalteten kleinen Garten bekommen. So wird ein hohes Maß an Privatheit der Wohnungen erreicht. Die Feriengäste können daher zwischen einem Schattengarten, einem einfachen Kräuter-Bauerngarten, einem Obstgarten sowie einem Rosengarten wählen.

Ein Konzept, welches auch die Jury des Architekturpreises Wein 2013 überzeugte und dem Projekt den ersten Platz verlieh. Neben schmackhaftem Wein und einem ruhigen Ort, um eine Auszeit zu genießen, kann man hier auch sehr gut essen. Hiervon konnte ich mich auf meiner Reise bei einem kleinen Mittagessen selbst überzeugen.

Weinwerkstatt Lubentiushof

Einen Ort für Weinproben zu schaffen, war das Ziel von Familie Barth, die aus keiner Familie mit jahrhundertlanger Winzertradition stammt, sondern als Quereinsteiger mit demWeingut Lubentiushoffür frische Impulse sorgt.

Etwas versteckt, gut eingegliedert und doch modern - die Vinothek Lubentiushof

Die alte Scheune sollte teilweise abgerissen werden und durch einen Ort für die Präsentation der Weine ersetzt werden. Im Gegensatz zu der oberen Mosel ist das Tal hier eng und die Grundstücke klein. Das Gebäude türmt sich also auf 27,5 qm Grundfläche über drei Geschosse auf und lehnt sich an die vorhandenen Gemäuer der Nachbargebäude an. Ergänzt werden die alten Mauern durch Sichtbeton, Stahl, Glas und Holz. Einem Materialmix, der der Bauherrin sehr wichtig war.

Im Erdgeschoss entsteht so ein zum kleinen Hof gelegener Raum für die Weinproben, welcher sich durch Faltelemente komplett öffnen lässt. Über eine Stahlholz-Treppe, die in ihrer Gestalt auf den reduzierten Platz Rücksicht nimmt, kommt man im Obergeschoss zu dem Büroraum des Hauses.

Die Fassade ist ab hier mit Holz verkleidet und schützt den Innenraum vor Blicken von außen, ohne die Aussicht einzuschränken. Im Dachgeschoss folgt dann eine Übernachtungsmöglichkeit.

Unser Bad hier ist das Bad mit dem wahrscheinlich schönsten Ausblick an der Mosel.

, sagt die Bauherrin, die vor dem Besitz eines Weingutes als Innenarchitektin tätig war.

So ist auch der extrem genaue Blick fürs Detail zu erklären. Jede Achse und jedes Detail sind überdacht, verworfen und neu überdacht. Und doch merkt man dieses in den Räumen nicht. Es stellt sich nur das Gefühl ein, dass hier alles stimmt.

Wichtig ist mir, dass sich die Gäste wohlfühlen. Diese sollten nicht sehen, wie viel Arbeit im Detail steckt. Vielmehr soll das intuitive Gefühl entstehen, dass hier alles richtig und passend ist.

Der Innenraum lässt sich zum Hof komplett öffnen.

Tisch, Licht und Hof - eine perfekte Kombination.

Die Treppe

Weingut Van Volxem

Das letzte Weingut, das ich vorstellen möchte, ist auch das jüngste Gebäude auf meiner Reise und dabei soll dieser Bau des Weingutes Van Volxem nichts weniger unterstützen als den Anbau von Weinen nach der Tradition der Saarweine um 1900. Mit viel Idealismus und Ehrgeiz hat Roman Niewodniczanski das Weingut im Jahr 2000 übernommen und sehr erfolgreich weitergeführt. 2019 konnte dann die neue Manufaktur eröffnet werden.

 

Perfekt in die Landschaft eingegliedert - das Weingut Van Volxem

Die neue Manufaktur liegt inmitten der hauseigenen Weinlagen in Wiltingen an der Saar und wurde auf einem vorhandenen Weinkeller gegründet. Hierbei wurden mit den Materialien Anleihen aus der Umgebung, insbesondere dem Schiefer, gemacht und das Gebäude behutsam in die Natur und auch in das Spannungsfeld zwischen neu und alt, also der ursprünglichen Weinguts-Villa auf dem Wiltinger Schlossberg eingegliedert.

Der Naturstein spielt nicht nur in der äußeren Umsetzung eine wichtige Rolle. Die Fassade des Gebäude-Ensembles ist in hellem Muschelkalk gehalten und erfüllt durch den Verzicht auf eine weitere Behandlung höchste Nachhaltigkeitsansprüche.

Ein Gebäude-Ensemble, das die Landschaft der Saar prägt und bereichert.

, so der Inhaber Roman Niewodniczanski.

Das Gebäude-Ensemble aus Produktion und Präsentation wurde so konzertiert, dass nicht nur eine Eingliederung in die Natur mühelos klappt, sondern das Gebäude auch den Produktionsabläufen gerecht wird. Das Team um Kellermeister Dominik Völk arbeite hier nämlich wie schon um 1900 ausschließlich über Schwerkraft.

Wenn auch nur zweigeschossig, so ist der turmähnliche „Monolith“ das markante Gebäude des Weingutes und ist in Anlehnung des auf der gegenüberliegenden Hangseite liegenden „Bismarckturms“ gestaltet. Er ist unterirdischdurch den Holzfasskeller mit dem Produktionsgebäude verbunden und schafft somit, fast nebenher, einen Hofbereich mit Terrasse, der die Besucher zum Verweilen einlädt und ihnen die besondere landschaftliche Qualität erlebbar macht.

Vier wesentliche Gebäudeteile ziehen jeden Besucher immer mehr in den Bann des preisgekrönten Weines. Die Vinothek, welche sich im Erdgeschoss des „Monoliths“ befindet, lädt zum Weingenuss ein. Schon hier kann der Besucher einen spektakulären Panoramablick auf die Weinlagen im romantischen Altarm der Saar genießen.

Der Panorama-Saal im Obergeschoss des „Monoliths“ toppt die Aussicht der Vinothek nochmals, und das locker. Der Bauherr, der die Oberbauleitung, eigentlich als Laie, komplett übernommen hat, hat für die perfekte Aussicht eine 8,6 m breite Glasscheibe anfertigen lassen.

Das Ding wiegt 1,8 Tonnen. Am Anfang war gar nicht klar, ob sich so eine Scheibe überhaupt herstellen lässt.

Hof mit Ausblick

Die Vinothek

Panorama-Saal mit 1,8 Tonnen schwerer Scheibe 

Der Saal ist für Verkostungen, Veranstaltungen mit Begleitung von Sterneköchen, aber auch für private Veranstaltungen erdacht. Der Fasskeller ist das Herzstück der gesamten Manufaktur. Alle Wände sind komplett in Naturstein ausgebildet und wollen eine Verbindung zu den moseltypischen Weinbergsmauern schaffen. Die aus Holz aus Eifeler Wäldern maßgefertigten Holzfässer sind, nicht nur für den Weinliebhaber, ein Hingucker. Bleibt im Untergeschoss des „Monoliths“ noch der Raritätenkeller. Hier reifen ausgewählte Jahrgänge und Weine aus Spitzenlagen in bienenwabenartig angeordneten Tanks über viele Jahre zu echten Raritäten heran.

Bei alledem haben ökologische und soziale Nachhaltigkeit höchste Priorität. Dem Nachhaltigkeitsansatz konsequent folgend wird in allen Bereichen der Produktion auf äußerste Schonung der natürlichen Ressourcen geachtet. Die Wärmegewinnung erfolgt über eine Hackschnitzelheizung. Heute schon fast selbstverständlich ist die Eigenstromgewinnung mit einer Fotovoltaikanlage, welche natürlich von außen nicht einsehbar, auf dem Hauptdach untergebracht ist. Selbst das Regenwasser, das auf den großen Dachflächen anfällt, wird in einem Teich mit naturnaher Bepflanzung aufgefangen und verwendet.

Der hauseigene Teich

Edelstahlfässer im Raritätenkeller

  Der Fasskeller

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